Györffy György: Einwohnerzahl und Bevölkerungsdichte in Ungarn bis zum Anfang des XIV. Jahrhunderts - Studia historica Academiae Scientiarum Hungaricae 42. (Budapest, 1960)

Das Ungartum gehört seiner Herkunft nach zum ugrischen Zweig der Finnougrier. Die Zweiteilung der Ugrier erfolgte in ihrer Heimat in der Ural­gegend im I. Jahrtausend v. u. Z.; die Vorfahren der Obugrier zogen nach Norden, in die Zone der Nadelwälder, die Vorfahren der Ungarn nach Süden, in die Zone der Laubwälder und der Waldsteppe. Nachdem die Ugrier allmählich immer weiter nach Nordosten, in die sibirischen Tundren abgedrängt wurden, gaben sie den anfänglichen Ackerbau und die Viehzucht, die Pferdehaltung auf und wurden zu einem Fischer- und Jägervolk; zur selben Zeit wanderten die Ungarn in das Gebiet der Wald­steppe und später in die Steppe ab und entwickelten sich dementsprechend zu einem Volk von halbnomaden Viehzüchtern, das zugleich den Ackerbau zu entwickeln begann und die Fischerei als Saisonbeschäftigung beibehielt.1 Die Tundra aber vermag viel weniger Menschen zu ernähren als die Steppe. Die Erträge von Fischerei und Jagd hängen von der Jahreszeit, von der Witterung und vom Glück ab. Selbst bei der mühseligsten Arbeit bleibt die Beute ungewiß. Auf reichliches Essen, auf Gesättigtheit folgt häufig Hunger, abgesehen davon, daß die aus Fisch und Wild bereitete Nahrung mit Hinblick auf die für den menschlichen Organismus existenzwichtigen Vitamine höchst einseitig bleiben muß (vorwiegend Mangel an Vitamin C); hierzu kamen noch das Wander­leben und die primitiven Wohnverhältnisse bei einem rauhen Klima. All dies hatte zur Folge, daß sich die Widerstandskraft des menschlichen Organismus gegenüber den verschiedenen Krankheiten im allgemeinen verringern mußte; die Geburtenziffer ging zurück und die Sterblichkeit erreichte einen Grad, der die Stagnation bzw. den Rückgang der Bevölkerungszahl nach sich zog. 1 Zur Lebensweise der Ungarn in der Steppe vgl. die Beschreibungen von Ibn Rusta und Gabdízí: A magyar honfoglalás kútfői (Die Geschiehtsquellen der ungarischen Landnahme). Red. v. Gy. Pauler und S. Szilágyi. Budapest, 1900. S. 168—169; Ibn Rusteh: Les atours précieux, trad. G. Wiet. Le Caire, 1956. S. 160.

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