Kulcsár-Szabó Ernő - Csongor Lőrincz - Molnár Gábor Tamás: Spielarten der Sprache (2004)

III. Theorie der Lyrik in Medialer Hinsicht - Karl Vajda: Mythoepisches Sprechen in Celans Tenebrae

Kari Vajda Mythoepisches Sprechen in Celans Tenebrae ln memóriám Peter Szondi et Péter Balassa Das Interesse am Werkzeug und am Werkzeuggebrauch der Wis­senschaften rührt von der offensichtlichen Universalität des me­thodologischen Denkens her. Dieses ist ein Erbe der klassischen griechischen Philosophie, die bis in unsere Tage alle wissen­schaftlichen Disziplinen in Denken, Ahnen und Tun bestimmt und ihnen in unterschiedlichem Ausmaß altehrwürdige Denkka­tegorien an die Hand gibt. Die von der philosophischen Tradition bedingte medial-instrumentale Durchdringung der Wissenschaf­ten erfolgt indessen aus einer inneren metaphysischen Notwen­digkeit. Metaphysisch ist jedes Seiende (nur) morphologisch fassbar, da das wandlungsreiche, denn wandelbare hyle sich in die vollendete, entwandelte morphé, in die Form wandelt. Kunst, d. w. s. das handwerkliche Können (techné) heißt in diesem Zusammenhang eine folgenreiche Tätigkeit menschli­cher, folglich natürlicher Wesen, die etwas Entstehendes, denn erst allmählich als es selbst Seiendes durch geschickte Bearbei­tung in eine Form entlassen, die von der Natur nicht hätte be­wirkt werden können und somit zu Recht als künstlich gilt. Der qualitative Sprung ins Künstlerische nimmt dem Kunst­ding dieses Künstliche keineswegs. Die Kunst ist künstlich­künstlerisches Schöpfertum. Die auf der Poetik des Aristoteles beruhende Literaturwissenschaft hat daher - wie dies die russi­schen Formalisten so deutlich sahen - diese Entstehung zu ihrem Gegenstand. Sie hat historisch, morphologisch, ästhetisch, so­ziologisch und medialwissenschaftlich zu ergründen, wie das komplexe und dynamische Wechselverhältnis von schöpferi­scher Intention, wirkungspragmatischer Rezeption und individu­ellem Verständnis entsteht und im fiktiv-illusionär-ästhetischen Gebilde des Kunstwerks am Werk ist. Diese Aufgabenstellung allein schon hat eine Instrumentali­sierung des wissenschaftlichen Denkens zur Folge. Im Sinne und 342

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